Das Wichtigste vorab: Fühle dich niemals persönlich angegriffen! Höre einfach genau zu: Worüber beklagt sich mein Patient? Bleibe ruhig, sachlich und lasse dich nicht von deinen Emotionen leiten. Das hört sich einfach an, ist sicher nicht immer leicht – jeder hat seine eigene Art, mit Konflikten umzugehen. Während der einebereits beim geringsten Anlass zum Angriff übergeht, sucht der andere nach Vermeidungsstrategien, und der Nächste gibt am liebsten sofort nach. Jeder nimmt Informationen und Kritik anders wahr. Wir alle schauen durch unseren Filter, mit dem wir unsere Welt sehen, unsere eigene Wahrheit erleben. Basierend auf unseren Erfahrungen, Werten sowie unseren Glaubenssätzen. Dabei interpretieren und bewerten wir – dies ist allerdings nicht unbedingt zielführend, wenn es darum geht, eine Konfliktsituation aufzulösen. Wenn wir beginnen zu verstehen, dass jeder eine andere Wahrheit hat und dass das, was ich denke, nicht DIE Wahrheit ist, sind wir schon mal auf einem guten Weg.
Wenn man Konflikte also professionell regeln möchte, sollte man sich immer bewusst machen, dass man nicht persönlich angegriffen wird und dass es wichtig ist, auf der sachlichen Ebene zu agieren. Frei nach dem Motto: Aufregen ist was für Anfänger – Profis atmen erstmal durch.
Wie geht es besser?
Hilfreich kann es sein, sich in die Lage des Patienten hineinzuversetzen. Wie würde ich mich fühlen? Durch Verständnis und Offenheit lassen sich die meisten Konflikte zur beiderseitigen Zufriedenheit lösen. Gerade aufbrausende Patienten beruhigen sich in der Regel schnell, wenn sie sich den ganzen Frust – der mitunter nicht nur mit unserer Praxis zu tun hat – von der Seele reden können. Hier ist es wichtig, zuzuhören und Ruhe auszustrahlen, um dann im richtigen Augenblick verständnisvoll das Gespräch auf die Sachebene zu lenken und eine Lösung zu finden.
Wie ist es möglich, dass sich beide am Ende als Gewinner fühlen?
Sobald sich ein Patient über zu lange Wartezeiten beschwert, oder über die Rechnung klagt, sollte er nicht als ein unsympathischer Blödmann abgestempelt werden, sondern die Kritik sollte zum Anlass genommen werden, über mögliche Fehler der Praxis nachzudenken. Vor allem gilt es herauszufinden, wie diese künftig zu vermeiden sind. Auch wenn eine Beschwerde im ersten Moment unangenehm ist: auf diese Art zeigt der Patient, dass ihm die Behandlung in der Praxis wichtig ist und er diese grundsätzlich fortführen möchte.
Besonders wichtig für ein gutes Beschwerdemanagement sind klare Regeln, wie zum Beispiel:
- Beschwerdegespräche werden nicht vor anderen Patienten geführt, sondern grundsätzlich in einem separaten Raum. Hier signalisieren wir: „Wir nehmen Sie Ernst“ – „Wir nehmen uns Zeit für Sie“. Außerdem ist es einfacher, unter vier Augen eine Lösung zu finden. Der Druck, sich vor anderen Zuhörern zu profilieren, entfällt für beide Seiten.
- Zu welchem Zeitpunkt sollte der behandelnde Arzt eingeschaltet werden?
- Wer nimmt grundsätzlich Beschwerden entgegen? Jedes Teammitglied oder nur die Praxismanagerin? Um einen Konflikt zu deeskalieren, kann es sich zum Beispiel als hilfreich erweisen, das klärende Gespräch durch eine unbeteiligte Person zu führen. Negative Emotionen und Stressfaktoren werden so deutlich vermindert und gesenkt.
- Wie werden die Fehler aufgenommen und so bearbeitet, dass sie sich nicht wiederholen?
Ausreden, Besserwisser-Kommentare oder verbale Gegenangriffe sind fehl am Platz. Es geht nicht darum, sich gegenüber dem Patienten zu rechtfertigen oder aus einem Streitgespräch als Gewinner hervorzugehen – es geht darum, den unzufriedenen Patienten wieder in einen zufriedenen Patienten zu verwandeln.Gewinne dein Gegenüber, nicht das Gespräch!
Sobald der Patient seinen Ärger losgeworden ist, ist es sinnvoll, einen kleinen Moment die Ruhe zu geniessen und einen Rettungsanker auszuwerfen. Wäre es nicht großartig, wenn der Patient selbst die Lösung für sein Problem findet?! Sollte der Fehler definitiv beim Praxisteam liegen, ist eine Entschuldigung selbstverständlich.
Ein Beispiel: Der Patient kommt um 14 Uhr in die Praxis und erwartet, behandelt zu werden. Der Termin war allerdings bereits um 13 Uhr. Der Patient ist nun verärgert: der Termin wurde falsch eingetragen, darüber hinaus hätte man ihn doch erinnern können und im Übrigen passiert ihm so etwas in unserer Praxis nicht zum ersten Mal. Die Empfangsmitarbeiterin reagiert souverän, indem sie mit dem Patienten in einen separaten Bereich geht, sie hört dem Patienten zu und lässt ihn aussprechen. Nun folgt der Rettungsanker: „Ich verstehe Ihr Problem, was wäre für Sie die optimale Lösung? Nun hat der Patient die Gelegenheit, sich selbst Gedanken zu machen, wie sich sein Problem lösen lässt. Das hat den Vorteil, dass er ruhiger wird und das Gefühl bekommt, dass er verstanden wird. Es gibt ihm die Möglichkeit, zu reflektieren und nachzudenken, welches die beste Lösung für ihn ist. Das kann natürlich bedeuten, dass der Praxisablauf durch einen eingeschobenen Termin durcheinander gerät – jedoch ist der Mehrwert des zufriedenen Patienten nicht zu unterschätzen.
Im schlimmsten Fall verlässt der Patient – immer noch verärgert, die Praxis und lässt seinen Frust erst in der Familie, dem Bekanntenkreis oder bei allen gängigen Bewertungsportalen im Internet ab. So kann sich schnell ein negatives Image der Praxis verbreiten. Dies gilt es zu vermeiden.
Die Regeln des Beschwerdemanagements sollten schriftlich festgehalten und jedem Teammitglied bekannt sein. Sie sollen helfen, Konfliktsituationen zu meistern, den unzufriedenen Patienten ernst zu nehmen sowie die Kritik als Feedback umzuwandeln. Idealerweise werden aus den Vorwürfen Verbesserungspotenziale abgeleitet. Jede Beschwerde sollte kurz notiert werden und auf die Tagesordnung der nächsten Teambesprechung gesetzt werden. Spannend ist es auch, wenn man selbst als Patient die eigene Praxis oder andere Praxen betritt. Aus dieser Perspektive kann man durch gute Beobachtung viel mitnehmen.
- Werde ich sofort begrüßt und wahrgenommen?
- Werde ich darüber informiert, wenn sich der Beginn meiner Behandlung verzögert?
- Verläuft meine Behandlung störungsfrei oder kommt des öfteren ein Mitarbeiter in das Behandlungszimmer um etwas zu holen oder den Arzt etwas zu fragen?
Diese kleinen Unaufmerksamkeiten können dazu führen, dass sich der Patient nicht wohl fühlt und dies dann – hoffentlich – äußert, damit wir an unserem Service arbeiten können.
Bei jeder Beschwerde gilt: Sie ist zwar im ersten Augenblick unangenehm, jedoch werden wir so auf Fehler in Praxisablauf und Service aufmerksam gemacht – Fehler, die wir nach einer Beschwerde mitunter leicht korrigieren könnten! Ein Patient, der spürt, dass seine Meinung geschätzt wird, kommt gerne wieder und ist die beste Werbung für unsere Praxis. Insbesondere Patienten, die sich in einer Praxis gut beraten und aufgehoben fühlen, werden zu treuen „Stammpatienten” und empfehlen die Praxis gerne weiter.